Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wird knapp die Hälfte der Pflegebedürftigen in Deutschland von Angehörigen im eigenen Zuhause betreut (Stand 2015). Vielen ist dabei nicht bewusst, dass ihnen finanzielle Unterstützung für die Versorgung zusteht. Darüber hinaus werden pflegende Angehörige sogar in Bezug auf das Erbrecht begünstigt.
Einen Überblick über das Wichtigste, was Sie hierzu wissen müssen, erhalten Sie in diesem Artikel.
Erbrecht allgemein
Grundsätzlich gibt es eine gesetzliche Erbfolge, die immer dann zum Tragen kommt, wenn kein Testament des sogenannten Erblassers, sprich des Verstorbenen, vorliegt. Die Reihenfolge der Erbberechtigten basiert auf dem Verwandtschaftsverhältnis, wobei die vorherige Ordnung die nachfolgenden stets ausschließt. Das bedeutet, dass die Eltern und Geschwister des Verstorbenen nur dann einen Teil des Nachlasses erhalten, wenn er keine Kinder und weiteren Nachkommen besitzt.
Erben erster Ordnung |
Kinder, Enkel und Urenkel des Verstorbenen |
Erben zweiter Ordnung |
Eltern und Geschwister des Verstorbenen |
Erben dritter Ordnung |
Großeltern, Onkel und Tanten des Verstorbenen |
Autorin, Laura Gosemann
In der Regel erben Kinder immer zu gleichen Teilen, sofern keine andere Vereinbarung in Form eines Testaments vorliegt. Für pflegende Angehörige mit Geschwistern gibt es jedoch eine Sonderregelung. So soll ein Ausgleich stattfinden, wenn sich ein Kind deutlich mehr um die pflegebedürftige Person gekümmert hat als die anderen.
Erbrecht für pflegende Angehörige
Die Pflege eines Verwandten nimmt viel Zeit und auch Geld in Anspruch. Um diesen Mehraufwand zu honorieren und gegenüber den anderen Erbberechtigten auszugleichen, wurde das Erbrecht reformiert. Besitzt demnach eine pflegebedürftige Person mehrere Abkömmlinge, wird aber nur von einem Kind häuslich betreut, dann fällt der Anspruch des pflegenden Erben höher aus als der seiner Geschwister. Damit diese Regelung greifen kann, müssen allerdings einige Voraussetzungen beachtet werden.
Höherer Erbanspruch nur für Kinder
So haben beispielsweise nur die Abkömmlinge des Pflegebedürftigen einen Anspruch auf ein höheres Erbe, sprich Kinder, Enkelkinder sowie nichteheliche oder adoptierte Kinder. Nichten und Neffen, die Eltern oder der Ehepartner können keinen höheren Erbteil für sich beanspruchen, auch wenn sie die häusliche Pflege übernommen haben.
Ebenso entfällt ein Anspruch auf ein höheres Erbe,
wenn der pflegende Angehörige bereits zu Lebzeiten des Hilfebedürftigen durch entsprechende Bar- oder Sachleistungen, etwa eine Wohnung oder ein Grundstück, entschädigt worden ist.
Pflegezeit nachweisen
Damit der höhere Erbanspruch auch tatsächlich gewährleistet ist, sollte ein Pflegetagebuch geführt werden.
Darin sind folgende Aspekte aufzuführen:
- Datum und Uhrzeit
- Erbrachte Leistungen pro Tag
- Die für die Pflege beanspruchte Zeit
- Belege für finanzielle Auslagen
- Wenn möglich Unterschrift des Pflegebedürftigen oder eines Zeugen, z.B. des Ehepartners
Höhe des Ausgleichs
Es gibt keine eindeutige Regelung zur nachträglichen Vergütung der Pflegezeiten. Stattdessen müssen sich die erbberechtigten Erben auf einen Stundensatz einigen. Ist eine Einigung allerdings nicht möglich, muss ein Gericht hinzugezogen werden. Auch dieses orientiert sich nicht zwangsläufig etwa an dem Stundenlohn eines Pflegedienstes, denn grundsätzlich gilt, dass die Höhe der Ausgleichszahlung in einem angemessenem Verhältnis zum Gesamterbe stehen muss.
Es ist jedoch möglich, eine genaue Höhe des Ausgleichsanspruchs innerhalb des Testaments festzulegen.
Darin kann z.B. auch eine entsprechende Begünstigung des pflegenden Ehepartners festgeschrieben werden.
* Der Artikel wurde vom Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V. zur Verfügung gestellt. Er wurde im August 2015 von Rechtsanwalt Mathis Ruff in Berlin gegründet. Für den juristischen Laien steht einem grundlegenden Verständnis zumeist das „Juristendeutsch“ im Wege; entsprechende Recherchen gestalten sich in der Regel als zeitaufwendig und komplex. Ziel des Verbandes ist es daher, über zentrale rechtliche Themenkomplexe in einer verständlichen Sprache zu informieren. Der Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V. stellt ausschließlich Informationsportale bereit, bietet jedoch keine Rechtsberatung an.
Redakteurin: Laura Gosemann