Widerspruch Pflegegrad

Pflegegrad-Widerspruch


Bei vielen überwiegt die Enttäuschung und Verzweiflung, wenn der Antrag auf einen

Pflegegrad abgelehnt wurde oder man mit dem zugeteilten Pflegegrad nicht einverstanden ist. Knapp ein Drittel der Erstanträge wird abgelehnt oder zu niedrig eingestuft. Bei Anträgen auf höhere Pflegeleistungen werden ca. 50 Prozent abgelehnt.

Doch man kann sich wehren und Widerspruch einlegen.

 

Lohnt sich ein Widerspruch?

Allein 2017 war jeder zweite Widerspruch gegen die Pflegegrad-Einstufung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, MD oder MDK erfolgreich. Die Gutachter empfahlen in knapp 30 Prozent der Widersprüche einen

anderen Pflegegrad. Bei ungefähr einem Viertel der Pflegebedürftigen hatte sich inzwischen der Hilfebedarf verändert.


Warum legen nur so wenig Betroffene Widerspruch ein?

Bei mehr als 1,6 Millionen Pflegegutachten legen nur knapp sieben Prozent der Betroffenen Widerspruch ein. Für viele Patienten und Pflegebedürftige sind die Entscheidungen der Kranken- und Pflegekassen nicht transparent genug. Viele haben auch Angst vor dem Aufwand eines Widerspruchverfahrens und dessen Komplexität.


Wie lege ich Widerspruch ein?

Der Widerspruch muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt werden. Hierfür reicht ein kurzes Schreiben, dass man dem Bescheid widerspricht. Wichtig ist, dass sich der Widerspruch formal gegen den Bescheid der Pflegekasse wendet und nicht gegen das Urteil. Eine ausführliche Begründung zum Widerspruch muss dann nachgereicht werden.


Wie begründe ich den Widerspruch?

Die Begründung des Widerspruchs erfordert Sachlichkeit und sollte frei von emotionalen Argumentationen sein. Trotz persönlicher Betroffenheit ist es wichtig, sich bei der Begründung auf die Fakten zu konzentrieren. Es gilt zu erläutern, warum eine höhere Pflegeleistung erforderlich ist als im vorherigen Gutachten angegeben.


Hierbei ist es ratsam, das Gutachten systematisch zu überprüfen und beispielsweise ärztliche Atteste hinzuzufügen. Ein Pflegetagebuch kann ebenfalls dazu dienen, den tatsächlichen Pflegeaufwand nachvollziehbar zu dokumentieren. Alternativ bieten sich Dienstleister an, die auf die Unterstützung von Versicherten bei Widersprüchen spezialisiert sind.


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Beispieltext für einen Widerspruch



Interview mit Roman Kirschner zum Thema „Widerspruchsverfahren bei der Einstufung in den Pflegegrad”.


Roman Kirschner ist Jurist und hat sich spezialisiert auf Pflegethemen. Er war viele Jahre im Bereich Gesundheits- und Pflegerecht als Anwalt tätig. Heute steht er Betroffenen als Berater zur Verfügung.


Frage: 

Was sind die häufigsten Fehler, die vorkommen, wenn das Gutachten nicht so ausgefallen ist, wie der Antragsteller es sich erhofft hat?


Roman Kirschner:

"Die Antragsteller dürfen einen negativen Bescheid der Pflegekasse nicht als eine persönliche Niederlage sehen oder als eine Missachtung durch die Pflegekasse. Der Bescheid ist ein ganz nüchterner Verwaltungsakt, der auf Fakten basiert. Demnach muss der Antragsteller der Pflegekasse Fakten liefern, die zu einer anderen Verbescheidung führen."


Die Antragsteller sollen sich zunächst das Gutachten kommen lassen und sorgfältig prüfen. Am besten bespricht man das Gutachten mit dem Hausarzt und einer fachkundigen Pflegefachkraft. Kommt eine fachkundige Person zu dem Ergebnis, das Gutachten gibt den Zustand des Pflegebedürftigen nicht richtig wieder, sollte unbedingt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt werden.


Die Frist hierzu beträgt einen Monat ab dem Zugang des Bescheids. Der Widerspruch kann fristwahrend ohne eine Begründung eingereicht werden, sofern das Gutachten noch nicht vorliegt oder von einer fachkundigen Person noch nicht geprüft worden ist.


Der Antragsteller muss der Pflegekasse Fakten liefern. Das ist das Einzige, was zählt. Die persönliche Belastung findet leider keine Beachtung."


Frage: 

Es kommt ja immer wieder vor, dass eine Höherstufung des Pflegegrades trotz Verschlechterung des Gesundheitszustandes abgelehnt wird. Wann kann der Antragsteller erneut einen Antrag stellen?


Roman Kirschner:

"Hierzu gibt es keine Frist. Es sollte jedoch eine medizinisch-pflegerische Veränderung eingetreten sein. Auch hier empfiehlt sich wieder die enge Abstimmung mit dem Hausarzt und der fachkundigen Pflegefachkraft sowie eine gezielte Beratung."


Frage:

Macht eine Anfechtung des Gutachtens Sinn? Wie hoch sind die Chancen, dass man dabei Erfolg hat? 


Roman Kirschner:

"Eine Anfechtung macht immer dann Sinn, wenn das Gutachten nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Eine Einschätzung hierzu durch die begleitenden Fachkräfte ist absolut hilfreich."


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